21. 10. 2025

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21. 10. 2025

Mobilität in Indien: Rasantes Wachstum, ambitionierte Ziele und Chancen für die Schweiz

Indien befindet sich in einem beispiellosen Mobilitäts- und Infrastrukturwandel: Über 7 Milliarden Bahnpassagiere jährlich, unglaublicher Bahn- und Autobahnausbau, neue Hochgeschwindigkeitskorridore, 23 Metro-Städte und ambitionierte Ziele im Güterverkehr zeigen das gewaltige Potenzial dieses Landes. Bis 2047 will Indien eine voll entwickelte Industrienation sein und moderne, nachhaltige Mobilität spielt dabei eine Schlüsselrolle. Die Schweiz, als Anbieterin erstklassiger Verkehrstechnologien, kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Der Blogbeitrag beschreibt diese Entwicklungen und zeigt die zahlreichen Chancen, die sich für die exportorientierte Schweizer öV-Branche eröffnen.

Alltag an einem Bahnhof in Nordindien: Züge der Indian Railways – hier mit Wagen der Second Class und für mobilitätseingeschränkte Personen – stehen bereit zur Abfahrt.

Von Michael Bützer, Geschäftsführer LITRA

Einwicklungen der Superlative bei allen indischen Verkehrsinfrastrukturen

Indien ist mit rund 1.4 Milliarden Personen das bevölkerungsreichste Land der Welt. Einer der grössten Arbeitgeber ist Indian Railways. Mehr als 1.2 Millionen Personen arbeiten für die indischen Staatsbahnen, was verdeutlicht, dass Indien ein "Bahnland" ist. Täglich befördern Indian Railways 23 Millionen Fahrgäste mit ihren Zügen, oder pro Jahr annähernd 7 Milliarden Passagiere. Das indische Schienennetz umfasst über 7’300 Bahnhöfe. Die Dimension dieser Nachfrage stellt hohe Anforderungen an Kapazität und Zuverlässigkeit. Entsprechend investiert die indische Regierung massiv in den Ausbau und die Modernisierung der Bahn. Auch im Güterverkehr erzielen die indischen Eisenbahnen Rekordwerte: Im letzten Jahr wurden über 1.6 Billionen Tonnenkilometer an Fracht transportiert.

Eines der zentralsten Modernisierungsprojekte ist die flächendeckende Elektrifizierung des Bahnnetzes. Heute sind bereits 99% des Breitspur-Netzes elektrifiziert. Dies ist Teil des Fahrplans, die Bahn bis 2030 klimaneutral zu betreiben (“Net Zero Carbon”). Um dieses Ziel zu erreichen, hat Indian Railways seit 2014 über 45’000 Kilometer Strecke neu elektrifiziert - eine für uns unfassbare Leistung! Der Rest wird nun noch mit Hochdruck fertiggestellt, oft in hohem Umsetzungstempo von etwa 20 Kilometern Elektrifizierung pro Tag. Parallel dazu werden über 2’000 Bahnhöfe mit Solaranlagen ausgerüstet, um künftig einen wesentlichen Teil des Bahnstroms aus erneuerbaren Quellen zu speisen.

Michael Bützer und Andreas Haas neben einer WAP-5-Lokomotive der Indian Railways. Die Lokomotiven dieses Typs wurden ursprünglich mit Schweizer Technologie von ABB/BBC entwickelt und stehen sinnbildlich für die langjährige technologische Partnerschaft zwischen Indien und der Schweiz.

Ein weiteres Innovationsprojekt ist die Einführung des indischen Zugsicherungssystems „Kavach“. Dieses automatische Sicherheitssystem verhindert Zugkollisionen und überwacht Geschwindigkeit, Signale und Streckenbelegung. Kavach funktioniert ähnlich wie europäische ETCS-Systeme, wurde aber vollständig in Indien entwickelt. Es kommt bereits auf über 1’500 Streckenkilometern zum Einsatz und soll schrittweise bis zum Jahr 2030 auf das gesamte Hauptnetz ausgeweitet werden. Insgesamt sind heute bereits rund 700 Lokomotiven mit den entsprechenden Bordgeräten ausgestattet. Besonders bemerkenswert: Kavach konnte in kurzer Zeit entwickelt, zertifiziert und implementiert werden – ein Beispiel für den schnellen digitalen Fortschritt im indischen Bahnsystem.

Güterverkehr: Neue Korridore und ambitionierte Ziele

Auch im Gütertransport will die indische Regierung den Anteil der Bahn massiv erhöhen. Aktuell wird ein Viertel der Waren im Inland auf der Schiene befördert. Dieser Anteil soll bis 2030 auf 45 % steigen. Indian Railways strebt damit an, das jährliche Gütervolumen auf 3 Milliarden Tonnen nahezu zu verdoppeln. Wesentliche Grundlage dafür sind die neuen Dedicated Freight Corridors (DFC), also eigene Güterverkehrskorridore. Die beiden ersten, ein Ost- und ein Westkorridor quer durch Indien, stehen kurz vor der Vollendung: Über 96 % der insgesamt 2’843 Kilometer dieser Strecken sind bereits fertiggestellt. Solch leistungsfähige Gütertrassen erlauben höhere Geschwindigkeiten und Zuglängen, was den Transport effizienter macht. Mittel- bis langfristig sind weitere Korridore geplant.

Rasanter Ausbau von Schiene und Strasse

Nicht nur die Bahnen, auch die Strasseninfrastruktur Indiens wächst in rasendem Tempo. Derzeit werden täglich 15 Kilometer neue Bahnstrecken (Neubaustrecken, Doppelspuren und Streckenumstellungen) dem Netz hinzugefügt. Vor zehn Jahren lag dieses Tempo noch bei rund 4 Kilometer pro Tag. Im vergangenen Jahr wurden also insgesamt 5’300 Kilometer Schiene neu in Betrieb genommen - das entspricht fast dem gesamten Schienennetz der Schweiz! Ähnlich beeindruckend ist der Ausbau der Nationalstrassen: Hier hat sich die Bautätigkeit von 2014 bis heute verdreifacht. Aktuell entstehen rund 34 Kilometer Autobahn pro Tag. Das indische Nationalstrassennetz wuchs dadurch auf über 146’000 Kilometer an Länge. Diese Investitionen in Strasse und Schiene sollen Engpässe beseitigen, die Anbindung ländlicher Regionen verbessern und die Grundlage für weiteres Wirtschaftswachstum legen.

Hochgeschwindigkeitsprojekt Mumbai–Ahmedabad

Ein Prestigeprojekt der neuen Infrastruktur-Ära ist Indiens erste Hochgeschwindigkeitsbahn zwischen Mumbai und Ahmedabad. Mit japanischer Unterstützung entsteht auf 508 Kilometern eine Trasse für Züge nach dem Vorbild der Shinkansen. Trotz Verzögerungen macht das Projekt deutliche Fortschritte: Bereits sind über 240 Kilometer Trassenviadukte fertiggestellt, zahlreiche Flussbrücken gebaut und Tunnelvortriebe im Gang. In Gujarat sollen erste Teilabschnitte schon 2027 in Betrieb gehen. Die vollständige Fertigstellung der Strecke bis ins Stadtzentrum von Mumbai wird für 2028 erwartet. Die indische Regierung erhofft sich von den “Bullet Trains” nicht nur kürzere Reisezeiten, sondern auch Technologietransfer und einen Schub für die lokale Wirtschaft entlang der Strecke. Das Projekt gilt als Modell für weitere geplante Hochgeschwindigkeitskorridore in Indien.

Zug der neuen Delhi Metro-Linie „Yellow Line Extension“ in einer unterirdischen Station. Die Metro in Delhi gilt als Vorreiter für den urbanen Schienenverkehr in Indien. Sie ist energieeffizient, voll klimatisiert und wird kontinuierlich ausgebaut. Mit über 400 km Streckenlänge ist sie eines der modernsten Metrosysteme Asiens.

Urbaner Verkehr: Metro-Boom und Seilbahnen

Auch im städtischen Personennahverkehr erlebt Indien einen Investitionsboom. Metro-Netze sind bereits in 23 Grossstädten entweder in Betrieb oder im Bau. Die gesamte U‐Bahn-Streckenlänge wuchs seit 2014 von 248 Kilometern auf über 1’000 Kilometer im Jahr 2025 an. Damit verfügt Indien mittlerweile über die drittgrösste Metro-Infrastruktur weltweit (nach China und den USA). Monatlich kommen derzeit rund 6 Kilometer neue U‐Bahn-Strecke hinzu. Parallel wurde das jährliche Budget für den Metro-Ausbau auf umgerechnet über 4 Milliarden CHF versechsfacht, um den Bedarf an modernen Verkehrsmitteln in den Megastädten zu decken.

Elektrobus der Delhi Transport Corporation (DTC) auf den Strassen der Hauptstadt. Indien investiert massiv in die Elektrifizierung seiner Busflotten – allein in Delhi sind bereits über 1'300 E-Busse im Einsatz, Tausende weitere folgen. Ziel ist eine emissionsfreie Busflotte bis 2030.

Eine weitere innovative Lösung sind urbane Seilbahnsysteme. Unter dem Programm Parvatmala fördert die Zentralregierung den Bau von Seilbahnen in bergigen Regionen und touristischen Zentren. Jüngst gab das Kabinett grünes Licht für zwei grosse Seilbahnprojekte in Uttarakhand. Solche Ropeways sollen den Verkehr in schwer zugänglichen oder dicht bebauten Gebieten entlasten und zugleich als umweltfreundliche Attraktion dienen. Auch Grossstädte prüfen vermehrt den Einsatz von Seilbahnen als öffentliches Transportmittel. Ein Beispiel dafür ist das städtische Seilbahnprojekt in Varanasi, das von der Schweizer Firma Bartholet Maschinenbau AG realisiert wird. Die Anlage umfasst eine rund 3,8 Kilometer lange Strecke mit fünf Stationen und soll ab 2026 die stark überlastete Verbindung zwischen Bahnhof und Altstadt entlasten. Die Schweizerische Exportrisikoversicherung SERV begleitet das Projekt und ist damit ein zentraler Pfeiler für die Finanzierung und Risikominimierung in diesem neuen Marktumfeld.

Seilbahntrasse über den Dächern von Varanasi: Ab 2026 soll hier das urbane Seilbahnprojekt der Schweizer Firma Bartholet in Betrieb gehen – als erste städtische Seilbahn Indiens. Die rund 3,8 Kilometer lange Verbindung soll das stark überlastete Stadtzentrum entlasten.

Luft- und Wasserverkehr ebenso im Aufwind

Indien investiert nicht nur in Strasse und Schiene, sondern auch verstärkt in den Ausbau des Luft- und Wasserverkehrs. Der nationale Flughafenentwicklungsplan (UDAN – Ude Desh ka Aam Naagrik) hat seit 2017 über 70 Regionalflughäfen neu erschlossen oder reaktiviert, um auch abgelegene Regionen besser anzubinden. Bis 2040 sollen landesweit 220 Flughäfen betrieben werden, von aktuell rund 150. Der Bau neuer Terminals, die Elektrifizierung des Bodenbetriebs sowie die Einführung nachhaltiger Kraftstoffe sind Teil einer umfassenden Modernisierungsstrategie. Gleichzeitig verfolgt die indische Regierung das Ziel, die Binnenwasserstrassen als vierten Verkehrsträger stärker zu etablieren. Unter dem Jal Marg Vikas Project wird beispielsweise der National Waterway 1 (Ganga-Stromkorridor) ausgebaut, um schwere Fracht zwischen Haldia und Varanasi über rund 1’600 Kilometer per Schiff zu transportieren. In mehreren Bundesstaaten werden RoPax-Fährverbindungen, Güterumschlagplätze und multimodale Hubs gefördert, um den kombinierten Verkehr zwischen Wasser, Bahn und Strasse effizienter zu gestalten.

Vision 2047 (Viksit Bharat 2047): Indien als entwickelte Nation

All diese Infrastrukturinitiativen sind Teil eines grösseren nationalen Entwicklungsziels. Bis zum 100. Jahrestag der Unabhängigkeit im Jahr 2047 strebt Indien an, eine “entwickelte Nation” (Viksit Bharat) zu werden. Dieses Leitbild umfasst nachhaltiges Wirtschaftswachstum, moderne Infrastruktur und eine hohe Lebensqualität im ganzen Land. Der umfassende Ausbau von Verkehrssystemen auf Schiene, Strasse, Luftfahrt und Wasserwegen ist ein Schlüssel, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu steigern und regionale Disparitäten abzubauen. Regierungsprogramme wie PM GatiShakti (eine integrale Infrastrukturplanung über Ministerien hinweg) und die National Logistics Policy sollen dafür sorgen, dass die verschiedenen Verkehrsträger effizient verzahnt werden. Die bisherigen Erfolge unterstreichen die Entschlossenheit Indiens auf diesem Weg. Gleichzeitig betont Neu-Delhi den Aspekt der Nachhaltigkeit: Bis 2030 will Indian Railways nicht nur voll elektrifiziert, sondern auch klimaneutral betrieben werden, und im Strassensektor gewinnen Elektromobilität und alternative Kraftstoffe an Bedeutung. Insgesamt soll die Verkehrsinfrastruktur des Landes im Jahr 2047 Weltmassstäbe erfüllen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, das auch international aufmerksam verfolgt wird.

© https://www.jncasr.ac.in/viksit-bharat-2047

Mobilitätspartnerschaft mit Perspektive: Swissrail-Delegationsreise nach Indien

Indien als Wachstumsmarkt – die Schweiz als Mobilitätspartner

Die dynamische Entwicklung in Indien eröffnet Schweizer Unternehmen neue Chancen. Ein Meilenstein hierfür ist das neue Freihandelsabkommen zwischen Indien und den EFTA-Staaten (inkl. Schweiz), bekannt als Trade and Economic Partnership Agreement (TEPA). Nach jahrelangen Verhandlungen wurde TEPA im März 2024 unterzeichnet und trat im Oktober 2025 in Kraft. Es schafft ein moderneres Rahmenwerk für die Lieferung von Waren- und Dienstleistungen und sieht in den nächsten 15 Jahren Investitionen von rund 100 Mrd. USD seitens der EFTA-Länder in Indien vor. Insbesondere im Bereich Infrastruktur und Mobilität ergeben sich durch TEPA zusätzliche Marktzugänge. Schweizer Industrieverbände – etwa Swissrail (Bahnindustrie), Swissmem (Maschinen/Elektro) oder suisse.ing (Ingenieure) – haben bereits grosses Interesse an einer stärkeren Kooperation signalisiert. Mit dem TEPA profitiert die Schweizer Exportwirtschaft vom Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen und stärkt damit ihre Wettbewerbsposition gegenüber Anbietern aus der EU und anderen Weltregionen. Für ein exportorientiertes KMU-Land wie die Schweiz bietet der indische Infrastrukturboom erhebliche Potenziale.

Vor diesem Hintergrund hat die Swissrail vom 14. bis 18. Oktober 2025 eine hochrangige Wirtschaftsdelegation in die indische Hauptstadt Delhi und nach Varanasi geführt. Mit dabei: über 30 Schweizer Unternehmen sowie das SECO und die LITRA. Ziele der Reise waren die Stärkung der Wirtschaftsbeziehungen, die Markterschliessung für Schweizer Firmen und der direkte Austausch mit indischen Entscheidungsträgern und Unternehmen. Das alles getragen vom Willen, die vertiefte Partnerschaft zwischen Indien und der Schweiz mit konkreten Projekten zu untermauern.

Eingang zur IREE 2025 in Neu-Delhi – der grössten Eisenbahnmesse Südasiens.

Delhi – IREE Messe, hochrangige Begegnungen und politisches Zeichen

Der Auftakt der Reise fand in Delhi statt, der dynamischen Metropole mit über 30 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Die Delegation nahm an der IREE 2025 teil, der grössten Eisenbahnmesse Südasiens und zweigrössten Bahnmesse weltweit. Am Swiss Pavilion präsentierten sich 20 Schweizer Unternehmen aus der Bahn- und Verkehrstechnologie, vom internationalen Grossunternehmen bis zum spezialisierten KMU. Das gemeinsame Auftreten unter dem Dach von Swissrail, unterstützt von Switzerland Global Enterprise, stiess auf reges Interesse.

Am Swiss Pavilion präsentierten sich 20 Schweizer Unternehmen einem internationalen Fachpublikum – ein starkes Signal für Swiss Engineering im globalen Mobilitätsmarkt.

Treffen mit dem Railway Board – Fortschreibung des bilateralen Dialogs

Ein weiterer Programmpunkt war das Treffen der Schweizer Delegation mit dem indischen Railway Board. Der Austausch knüpfte an das dritte Meeting der Joint Working Group an, welches mit dem Railway Minister im Januar 2024 am Rande des World Economic Forum in Davos stattgefunden hat. Damals hatten sich Vertreterinnen und Vertreter beider Länder über eine vertiefte technologische Zusammenarbeit im Eisenbahnwesen verständigt. In Delhi wurden nun Prioritäten weiter konkretisiert. Der Fokus lag auf Themen wie Digitalisierung, Sicherheitstechnik, energieeffizientem Betrieb sowie der Beteiligung von Schweizer Unternehmen an indischen Ausschreibungen. Die indische Seite zeigte grosses Interesse an Schweizer Lösungen für komplexe Anforderungen im Bahnbereich. In einem Interview mit der „Economic Times“ erklärte Martin Saladin, die Schweiz wolle „Indien aktiv bei der Modernisierung des Bahnsektors unterstützen“. Beide Seiten bekräftigten ihren Willen, den institutionellen Dialog auf Arbeitsebene fortzuführen, als nächstes erneut in Davos im Rahmen des World Economic Forums.

Austausch der Schweizer Delegation mit dem indischen Railway Board am 16. Oktober 2025 in Neu-Delhi: Im Rahmen der bilateralen Joint Working Group wurden aktuelle Schwerpunkte der Zusammenarbeit diskutiert. Beide Seiten betonten den grossen Willen, den technischen Dialog im Jahr 2026 in der Schweiz fortzusetzen.

Mobilitätspartnerschaft auf politischer Ebene

Ein weiterer Höhepunkt war die Paraphierung eines bilateralen Memorandum of Understanding (MoU) zur Mobilitätszusammenarbeit. Der Text wurde am 15. Oktober 2025 in Delhi in Anwesenheit von Nitin Gadkari, Minister für Strassenverkehr und Autobahnen der Republik Indien, von der Schweizer Botschafterin Maya Tissafi sowie Martin Saladin, Vizedirektor und Leiter der Direktion für Standortförderung des SECO, sowie der anwesenden Swissrail-Delegation paraphiert. Das MoU setzt einen Rahmen für die Zusammenarbeit in den Bereichen nachhaltiger Infrastrukturausbau, Tunnelbau, Elektromobilität und urbane Seilbahnsysteme. Ziel ist es, den gegenseitigen Zugang zu Märkten und Fachwissen zu erleichtern, regulatorische Dialoge zu führen und konkrete Projekte gemeinsam weiterzuentwickeln.

Paraphierung des bilateralen Mobilitäts-MoU am 15. Oktober 2025 in Delhi: Minister Nitin Gadkari (Mitte), die Schweizer Botschafterin Maya Tissafi, SECO-Vizedirektor Martin Saladin und Shri V. Vashishta, Joint Secretary im Ministry of Road Transport and Highways, bekräftigen gemeinsam mit der Swissrail-Delegation den Willen zur Vertiefung der Mobilitätspartnerschaft zwischen Indien und der Schweiz.

Fazit: Indien öffnet Türen – die Schweiz muss sie durchschreiten

Die Schweiz und Indien schätzen einander schon lange und wollen ihre Beziehung in den nächsten Jahren auf eine neue, noch engere Grundlage bringen. Die Swissrail-Delegationsreise hat gezeigt: Indien öffnet seine Märkte und ist bereit, seine Infrastruktur rasch und innovativ auszubauen. Dafür werden verlässliche, leistungsfähige internationale Partner gesucht. Die Schweiz geniesst im indischen Mobilitätssektor hohes Ansehen: als Anbieterin qualitativ hochwertiger Technologie, aber auch als verlässliche politische Partnerin. Das TEPA-Freihandelsabkommen und das neue Mobilitäts-MoU bilden nun ein starkes Fundament für Projekte mit Schweizer Beteiligung.

Am Ende dieser intensiven Woche wurde deutlich, wie viel Potenzial in der verstärkten Kooperation mit Indien steckt und welche Rolle die Politik dabei spielt. Die Schweizer öV-Branche hat dank TEPA nun einen Marktzugang mit rotem Teppich: Zollfreiheit und weniger Bürokratie sind enorme Vorteile. Doch um diese Chancen konkret in Aufträge und Arbeitsplätze umzuwandeln, braucht es weiterhin politischen Rückenwind. Konkret kann die Schweizer Politik auf mehreren Ebenen unterstützen:

  • Handelsabkommen nachhaltig nutzen: Nach dem Abschluss von TEPA gilt es, die Umsetzung zu begleiten und neue Freihandelsabkommen in Asien voranzutreiben. So bleibt die Schweizer Industrie global konkurrenzfähig.
  • Diplomatie und Netzwerke: Delegationsreisen wie diese zeigen Wirkung, indem sie auf höchster Ebene Türen öffnen. Eine kontinuierliche Pflege der Beziehungen, etwa durch ministerielle Besuche in Indien oder Gegenbesuche, hält den Dialog am Laufen und vermittelt unseren Partnern Wertschätzung.
  • Team Switzerland als Türöffner für Infrastrukturprojekte: Ein Erfolgsfaktor im Export Schweizer Verkehrstechnologien ist der koordiniert auftretende „Team Switzerland“-Ansatz. Unter der Leitung des SECO arbeiten hier Organisationen wie Switzerland Global Enterprise, die SERV und Swissrail eng zusammen. Diese abgestimmte Präsenz eröffnet Schweizer Unternehmen konkret den Zugang zu komplexen Infrastrukturvorhaben, insbesondere zu sogenannten EPC-Projekten (Engineering, Procurement, Construction).
  • Exportförderung und Finanzierung: Instrumente wie der Swiss Pavilion, Swiss Business Hubs und Exportförderagenturen (S-GE) sollten weiter gestärkt werden, damit insbesondere KMU professionelle Unterstützung im Ausland erhalten. Gleichzeitig sind Exportkreditgarantien und Versicherungen (SERV) essenziell, um grosse Projekte in aufstrebenden Märkten abzusichern. Das Beispiel der Seilbahn Varanasi zeigt, wie wichtig diese Absicherung sein kann.
  • Innovationen fördern: Die Politik kann die heimische öV-Industrie durch Forschungsprogramme und Pilotprojekte unterstützen, damit diese auch künftig Spitzentechnologie skalieren kann. Von Swissrail sind fast alle Mitglieder im Export und bedienen dabei schon heute über 100 Länder. Wenn Schweizer Firmen etwa im Bereich digitale Bahnsysteme, autonomer Verkehr oder alternativer Antriebe führend bleiben, erhöht das ihre Exportchancen enorm.
  • Abbau von Markthürden: Schliesslich sollte sich die Politik international für faire Wettbewerbsbedingungen einsetzen und etwa im Rahmen von Wirtschaftsmissionen die Anliegen unserer Firmen (z. B. bezüglich lokalem Content oder Normen) zur Sprache bringen. Auch Standardisierungs-Zusammenarbeit kann ein Weg sein, technische Hürden zu senken.

Eines ist klar: Schweizer Zug- und Verkehrstechnikunternehmen geniessen weltweite Anerkennung. Ein nachhaltiger Exporterfolg erfordert jedoch gezielte Unterstützung. Es braucht den Schulterschluss aller Beteiligten, also Unternehmen, Politik und Verbänden. Die Delegationsreise nach Indien hat eindrücklich gezeigt, was möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen. Mit TEPA als Fundament und frischem politischen Goodwill im Gepäck, ist die Schweizer öV-Industrie bereit, auf dem globalen Parkett durchzustarten. Viele Eindrücke wirken nach und bestärken uns in der Überzeugung, dass Offenheit, Partnerschaft und Weitblick die Schlüssel sind, um die Chancen dieses Jahrzehnts zu nutzen. Die Schweiz mag klein sein, doch mit der richtigen Unterstützung kann sie im Grossprojektland Indien Grosses bewirken. Ganz nach dem Motto: Gemeinsam sind wir auf dem richtigen Gleis.

Ab 1. Oktober 2025 fallen für fast alle Schweizer Exporte nach Indien die Zölle weg – auch für die öV-Branche eröffnen sich neue Chancen. © Simon / Pixabay

Dieser Blogbeitrag ist der zweite Teil zum Thema Mobilität und Wirtschaftschancen in Indien. Während im ersten Teil die Grundlagen und das Potenzial des neuen Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und Indien erläutert wurden, vertieft der vorliegende Beitrag die Perspektiven mit konkreten Eindrücken und Erkenntnissen aus einer Schweizer Delegationsreise vor Ort.