28. 08. 2025

Kommentar: Der ÖV ist das Rückgrat der Schweiz

In einem Gastkommentar in der Südostschweiz betont LITRA-Präsident und Nationalrat, Martin Candinas, die Bedeutung des regionalen Verkehrs – nicht nur für das öV-System an sich, sondern für die Schweiz. Und er zeigt auf, wieso es gerade jetzt ein klares Zeichen aus der Politik braucht.

Der regionale Personenverkehr ist keine Kür, er ist Grundversorgung. Und diese Grundversorgung kostet. Aber sie ist jeden Franken wert. © LITRA

Wer morgens ins Postauto steigt, mittags mit dem Bus fährt oder abends den Zug nach Hause nimmt, ist Teil der Erfolgsgeschichte des öffentlichen Verkehrs. Täglich nutzen fast drei Millionen Menschen in unserem Land diese Angebote. Sie verbinden die feinen Kapillaren – die Dörfer und Täler – mit den pulsierenden Adern – den Städten und Agglomerationen.

Dieses System ist kein Selbstläufer. Denn die wenigsten Linien decken ihre Kosten vollständig. Etwas mehr als die Hälfte der Kosten im regionalen Personenverkehr wird von den Nutzerinnen und Nutzern finanziert, den Rest teilen sich Bund und Kantone. Der Bund beteiligt sich seit jeher paritätisch. Damit dieses Zusammenspiel funktioniert, braucht es regelmässig einen Verpflichtungskredit. Nun steht jener für die Jahre 2026 bis 2028 im Bundesparlament an. Der Bundesrat beantragt dafür 3,364 Milliarden Franken, was deutlich weniger entspricht als der ausgewiesene Bedarf der Transportunternehmen.

Aus meiner Sicht ist klar: Dieser Verpflichtungskredit muss erhöht werden, denn sonst droht ein schmerzhafter Abbau beim Angebot. Die Anforderungen steigen: bei der Sicherheit und Barrierefreiheit, bei der Dekarbonisierung des Busverkehrs oder bei den Investitionen in modernes Rollmaterial. Die Schweiz ist aber auf einen starken öffentlichen Verkehr angewiesen – als Standortfaktor für die Wirtschaft, als Garant für gleichwertige Lebensbedingungen in allen Regionen, als Beitrag zum Klimaschutz. Nur mit einem attraktiven Angebot bleibt die Nachfrage hoch und die Schweiz führend in Europa bei der Nutzung des öffentlichen Verkehrs.

Besonders deutlich zeigt sich die Bedeutung des öffentlichen Verkehrs im Kanton Graubünden: flächenmässig der grösste Kanton der Schweiz mit einer einzigartigen Topographie. Hier ist ein umfassendes Angebot in allen Regionen nicht einfach wünschenswert, sondern überlebenswichtig – für Bevölkerung, Wirtschaft und Tourismus. Während andere Kantone von kurzen Wegen profitieren, ist der öffentliche Verkehr für uns Bündnerinnen und Bündner die Lebensader, die unseren Kanton zusammenhält.

Als Präsident der LITRA ist mir der Ausbau des Angebots ein Herzensanliegen. Seit Jahren setze ich mich dafür ein, dass die Schweiz nicht nur die Nase vorn behält, sondern den öffentlichen Verkehr auch laufend weiterentwickelt. Unser System wird international bewundert, weil es Qualität, Zuverlässigkeit und Effizienz verbindet. Diesen Vorsprung dürfen wir nicht leichtfertig verspielen.

Natürlich sind auch die Transportunternehmen gefordert, effizient zu wirtschaften und innovative Wege zu gehen. Aber die Vorstellung, man könne allein durch Sparprogramme und höhere Billetteinnahmen die Finanzierungslücke schliessen, ist eine Illusion. Ohne einen höheren Beitrag des Bundes drohen massive Einschnitte. Deshalb braucht es jetzt ein klares Signal aus der Politik: Der regionale Personenverkehr ist keine Kür, er ist Grundversorgung. Und diese Grundversorgung kostet. Aber sie ist jeden Franken wert.

So ist zu hoffen, dass die ständerätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen diese Woche den Mut hat, eine Erhöhung des Bundesbeitrags vorzuschlagen – und dass Ständerat und Nationalrat diesem Entscheid folgen. Die Schweiz darf nicht beim öffentlichen Verkehr zurückstecken, der unser Land zusammenhält, die Regionen verbindet und das Rückgrat unserer nachhaltigen Mobilität bildet.

Gastkommentar von Martin Candinas, erschienen in der Südostschweiz vom 27. August 2025. In der Rubrik «Berner Politik» kommen die Bündner Mitglieder der eidgenössischen Räte abwechselnd zu Wort.