30. 05. 2018

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30. 05. 2018

Güterverkehr: Entwicklung von Infrastrukturen für eine erfolgreiche Energiewende

Der Transportsektor verursacht in der Schweiz ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs. Die Güterverkehrsverlagerung von der Strasse auf die Scheine erscheint deshalb als unabdingbares Mittel für die Energiewende. Die Infrastrukturen werden ausgebaut, um auf eine steigende Nachfrage zu antworten, und die Eisenbahnnetze in Europa werden standardisiert, um ergänzende und wettbewerbsfähige Angebote zu ermöglichen.

Autor: Marc-Edouard Schultheiss

Der Güterverkehr ist in einer immer anspruchsvolleren und dezentraleren Konsumgesellschaft ein wichtiger Teil unserer Verkehrsflüsse. Dank ihm werden Produktionsstandorte mit Rohmaterialien versorgt und Verbrauchsgüter an die Bevölkerung geliefert.

Mit der Einbindung in ein europäisches Netz ist die Schweiz ein beliebtes Durchgangsland mit einer grossen Auslastung des Strassennetzes. Angesichts eines transportierten Warenvolumens von 27.8 Milliarden Tonnenkilometern im Jahr 2016 (BFS) stellt der Güterverkehr eine der wichtigsten Herausforderungen für die Energiewende dar.

Der Strassenverkehr als einfache Lösung

Die Auslieferung ab Werk, der Massentransport und schliesslich die Lieferung von Kleinmengen in die Geschäfte erfordern eine Logistik, die spezielle Anforderungen an Verpackung, Geschwindigkeit, Sicherheit und Infrastruktur erfüllen muss. Transporte auf dem Wasser (Flüsse und Meer), mit der Bahn und mit Lastwagen und Kleintransportern müssen sich in der Transportkette über Länder und Kontinente hinweg ergänzen. Um die Feinverteilung sicherzustellen (siehe Abbildung 1und die Unterschiede zwischen den Verzweigungen der Strassen- und Schienenverkehrsnetze) und gleichzeitig weiterhin von den Umweltvorteilen des Schienengüterverkehrs auf Langstrecken zu profitieren, sind multimodale Verkehrskonzepte notwendig.

Der Anteil des Lkw-Transports am Güterverkehr liegt in der Schweiz bei über 60%. Europaweit zeigt sich ein ähnliches Bild: Die grosse Mehrheit der Güter wird auf der Strasse transportiert (laut Schätzungen von Eurostat). Darüber hinaus legen Fahrzeuge für den Gütertransport laut BFS einen von vier auf der Strasse gefahrenen Kilometern leer zurück. Diese noch neuen Zahlen – der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene lag in den 70er- bis 80er-Jahren noch bei über 50% – sind die Folge des Ausbaus der Strassen und eines leichten Zugangs mit nur wenigen Einschränkungen. Dies hat den Rückgang des Schienengüterverkehrs begünstigt, insbesondere des Einzelwagenverkehrs, der aufwendigere Infrastrukturen erfordert (beispielsweise Anschlussgleise oder Rangierbahnhöfe).

Abbildung 1

Auch wenn der Lkw-Verkehr zu erhöhtem Verbrauch fossiler Energien führt sowie erhöhte Unfallrisiken und höhere indirekte Kosten für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt mit sich bringt, sind zusätzliche Anstrengungen nötig, um den Gütertransport nicht nur auf der Strasse abzuwickeln.

Verlagerung auf die Schiene: Begrenzung der externen Nachteile

Für den ersten und letzten Kilometer bleibt es schwierig, auf die Strasse zu verzichten. Anreize und Anschubfinanzierungen zur Senkung der Kilometerkosten und zum Bau von Infrastrukturen könnten die Lage jedoch ändern. So gewährt beispielsweise das Bundesamt für Verkehr finanzielle Unterstützung für den Bau oder die Sanierung von Anschlussgleisen durch Grossverteiler. Diese ermöglichen einen einfachen und effizienten Gütertransport auf der Schiene bis zum Bestimmungsort. Angesichts der Tatsache, dass 90% des durch die SBB verbrauchten Bahnstroms aus erneuerbaren Energien stammt (laut SBB Zahlen und FaktenInfrastrukturen) und angesichts der wenigen Unfälle auf der Schiene kann der Güterverkehr auf der Schiene die nachteiligen externen Auswirkungen massiv verringern.

Abbildung 2 Güterverkehrskorridore Europa

Auch das Europäische Parlament entwickelt Anreize für die Verlagerung auf die Schiene. Im Rahmen des Programms «Ein europäisches Schienennetz für einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr» (2010) wurden europaweite Regelungen eingeführt, die zu mehreren Planungen für Eisenbahn-Güterverkehrskorridore geführt haben (siehe Abbildung 2). Einer davon ist der «Rhein-Alpen Korridor», an dem Länder mit kompatiblen Bahnbetriebssystemen beteiligt sind (Italien, Schweiz, Deutschland, Belgien, Niederlande) und an den 100 Umschlagterminals sowie 6 Seehäfen angeschlossen sind. Die Optimierung des logistischen Managements des Güterverkehrs bleibt somit eine grosse Herausforderung. Die Zuweisung von Trassen, die Verwaltung von Rangierbahnhöfen, die Zustellung von Einzelwagen und die Umschlagbahnhöfe müssen in globalem und multimodalem Massstab geplant werden. Nur so ist es möglich, den Transporteuren schlüssige und wettbewerbsfähige Alternativen anzubieten.

Die Wichtigkeit der Eisenbahninfrastruktur

Die Infrastruktur ist also das Herz eines zuverlässigen, robusten und umweltfreundlichen Güterverkehrsnetzes. Im Gegensatz zu den Strassen bieten Schienenwege kaum Alternativen, sollte es zu Zwischenfällen kommen. Jedes Netz kann schnell unpassierbar werden, wie der Streckenunterbruch bei Rastatt (Herbst 2017) gezeigt hat. Ein Erdrutsch führte hier dazu, dass der Verkehr durch das Rheintal sieben Wochen lang zum Erliegen kam. Hinzu kamen Schäden in Milliardenhöhe für Wirtschaft, Industrie, Eisenbahnen, Betreiber und Transportunternehmen (laut Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Berlin). In logistischer Hinsicht führte dieser Vorfall zu einem vollständigen Ungleichgewicht, wobei einerseits Umschlagterminals mit Containern gesättigt waren und es andererseits zu Versorgungsengpässen kam. Um den Bahnverkehr als zuverlässige Alternative integrieren zu können, müssen die Folgen solcher Vorfälle unbedingt besser abgefedert werden können.

Die Schweiz spielt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Eisenbahninfrastrukturen. Sie hat diese „ökologische“ Wende bereits mit der Alpentransversale eingeleitet, die eine wichtige Etappe im Güterverkehr nach Europa darstellt. Die neue Bahnstrecke durch den im Juni 2016 eröffneten Gotthard-Basistunnel bedeutet eine signifikante Erhöhung der Schienentransportkapazität in diesem Korridor. Darüber hinaus hat dies infolge der notwendigen Reaktion auf das neue Verkehrsaufkommen zu einer Dynamik bei der Erneuerung der Infrastruktur geführt. Der zwischen dem Seehafen von Genua und der Achse Lugano-Basel gelegene Norden Italiens ist somit im Begriff, zu einer bedeutenden Plattform für europaweite multimodale Verkehrsverbindungen zu werden. Im Moment werden hier drei neu geplante Umschlagterminals gebaut (Milano Smistamento, Piacenza und Brescia), die die künftige Nachfrage im Eisenbahn-Güterverkehr rund um die NEAT (Neue Eisenbahn-Alpentransversale) befriedigen sollen. Auch die Eidgenossenschaft investiert in diese Infrastrukturen, die künftig durch SBB Cargo International genutzt werden. Doris Leuthard erklärt:

“Das Territorialitätsprinzip verhindert im Prinzip Investitionen in die Infrastruktur eines anderen Landes.. Wir haben uns jedoch für eine Ausnahmeregelung entschieden. Es liegt nämlich im Interesse unseres Landes, die Verlagerung des Güterverkehrs über die Alpen von der Strasse auf die Schiene zu fördern. Und ohne diese Infrastrukturen in Italien müssten wir in der Schweiz zusätzliche Umschlagsanlagen bauen.»

Doris Leuthard, für einen Artikel von B. Wuthrich in Le Temps, erschienen am 15.01.2016

Die Entwicklung des Eisenbahnnetzes ist im Gegensatz zum Strassennetz deutlich im Rückstand. Angesichts neuer ökologischer und ökonomischer Herausforderungen ist Europa jedoch aufgerufen, seine Ressourcen zu bündeln und seine Gütertransportsysteme umzugestalten. Die Schweiz beteiligt sich mit bisher beispiellosen Investitionen in der Alpen-Transitregion an diesen Gemeinschaftsanstrengungen zur Verlagerung des Güterverkehrs auf europäischer Ebenes sowie an den Gemeinschaftsanstrengungen im Sinne einer ökologischen Wende.

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