25. 09. 2025

Rede Bundesrat Guy Parmelin
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25. 09. 2025

Mitgliederversammlung: Wir reden zu oft über Kosten; zu selten über Leistungen

Der öffentliche Verkehr in der Schweiz verzeichnet Rekorde um Rekorde und generiert Milliarden an Wertschöpfung. An der 89. LITRA-Mitgliederversammlung in Bern warnte LITRA-Präsident Martin Candinas jedoch vor gravierenden Finanzierungslücken und rief Politik und Branche zum gemeinsamen Handeln auf. Im Anschluss an den statuarischen Teil wurden im Rahmen des Prix LITRA 2025 zudem vier junge öV-Talente ausgezeichnet. Die Preise wurden übergeben von Bundesrat Guy Parmelin, der sich ebenfalls mit einer Ansprache zu aktuellen verkehrspolitischen Geschäften an die geladenen Gäste richtete.

Es geht nicht nur um Kosten, es geht um Leistung – und hier ist das Schweizer öV-System einmalig. Rund 180 Mitglieder und geladene Gäste trafen sich in Bern zur LITRA-Mitgliederversammlung. © LITRA

«Noch nie waren so viele Menschen mit Bahn, Tram, Bus, Schiff und Seilbahn unterwegs wie im vergangenen Jahr», stellte LITRA-Präsident Martin Candinas zu Beginn der 89. Mitgliederversammlung im Hotel Bellevue Palace in Bern erfreut fest. Besonders erfreulich sei, dass der öffentliche Verkehr im Verkehrssektor insgesamt Marktanteile hinzugewinnen konnte.

Damit bestätige sich der öV als Rückgrat der Schweizer Mobilität – mit grossem Nutzen für Bevölkerung, Wirtschaft und Tourismus. Jeder zusätzliche Weg mit dem öV spart Emissionen und Platz und leistet damit einen zentralen Beitrag für Klima, Effizienz und Lebensqualität.

Der öV als Milliardenmotor der Schweizer Wirtschaft

Dass der öV in der Schweiz weit mehr ist als eine Mobilitätsalternative, unterstreicht auch die neueste Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung des öV in der Schweiz, die im Auftrag der LITRA und des Branchenverbandes Swissrail von INFRAS erstellt wurde.

Der öffentliche Verkehr und die Schweizer Bahnindustrie generierten 2024 einen Umsatz von 21,1 Milliarden Franken und eine Wertschöpfung von 17,5 Milliarden Franken. Der grösste Teil entfällt auf die öV-Leistungen, welche eine Wertschöpfung von 12,4 Milliarden Franken generieren.

«Das unterstreicht, wie wichtig der Schweizer öV für unsere Volkswirtschaft und unseren Wohlstand ist», betont Martin Candinas. «Aktuell sprechen wir immer darüber, was uns der öV kostet, aber viel zu selten darüber, was der öffentliche Verkehr in der Schweiz leistet – nicht nur an Transportleistung, sondern auch für unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand.»

LITRA-Präsident Martin Candinas betont die Rolle des öV als wesentlichen Standortvorteil für unsere Volkswirtschaft und zeigt auf, welche Folgen verschiedene Sparmassnahmen im Rahmen der Diskussionen zum Bundeshaushalt für die Mobilität in der Schweiz hätten. © LITRA

Jeder 20. Arbeitsplatz in der Schweiz ist mit dem öV verbunden

Vielleicht noch anschaulicher wird die volkswirtschaftliche Bedeutung der öV-Branche bei der Beschäftigung: «Über 110’000 Menschen arbeiten direkt in öV-Unternehmen. Rechnet man Zulieferer und Bauwirtschaft mit ein, hängen fast 200’000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt am öV», erklärt Martin Candinas.

Das bringt auch einige Herausforderungen mit sich. So müssen laut verschiedenen Hochrechnungen bis 2035 rund 30 Prozent der heutigen Mitarbeitenden ersetzt werden. Das entspricht mehreren zehntausend Fachkräften, die wir neu gewinnen oder ausbilden müssen. «Hier sind Politik, Branche und Bildung gleichermassen gefordert», betont Martin Candinas. «Der öV kann nur so stark sein wie die Menschen, die ihn täglich betreiben.»

Positiv stimmt den LITRA-Präsidenten, dass sich der Fachkräftemangel zumindest bei gewissen Mitgliedergruppen der LITRA leicht zu entspannen scheint. Das zeigt eine Analyse einer LITRA-internen Datenauswertung zu den ausgeschriebenen Stellen. «Unsere Auswertung ermöglicht zwar keine abschliessende Beurteilung des Stellenmarkts, liefert aber interessante Hinweise.»

Ohne stabile Finanzierung drohen Engpässe und Qualitätsabbau

Damit diese Leistungen, Investitionen und Arbeitsplätze gesichert bleiben, bedarf es aber auch einer verlässlichen Finanzierung. «Wenn wir heute bei der Infrastruktur sparen, zahlen wir morgen die Zeche in Form von Engpässen, Verspätungen und Qualitätsabbau», mahnt Martin Candinas.

Besonders der Bahninfrastrukturfonds (BIF) – Herzstück der Finanzierung von Unterhalt, Ausbau und Substanzerhalt der Schieneninfrastruktur – droht ab 2031 empfindliche Einbussen zu erleiden. Zwei zentrale Einnahmequellen laufen aus: das befristete Mehrwertsteuer-Promille sowie die zweckgebundenen Mineralölsteuermittel. Gleichzeitig drohen Kürzungen im Rahmen von Sparpaketen des Bundes.

Die Folgen wären gravierend: Eine Finanzierungslücke im BIF gefährdet nicht nur geplante Ausbaumassnahmen, sondern mittelfristig auch die Qualität und Stabilität des heutigen Angebots. «Der öV ist kein Luxusgut, das man nach Kassenlage rauf- und runterfahren kann, sondern ein zentraler Bestandteil unserer Volkswirtschaft und Daseinsvorsorge», betont Martin Candinas.

Rund 180 eingeladene Mitglieder und Gäste geniessen den Austausch in entspannter Atmosphäre und diskutieren rege über aktuelle verkehrspolitische Themen. © LITRA

Weichenstellung bis 2028: Volksabstimmung als Lackmustest

Auch beim regionalen Personenverkehr (RPV) zeichne sich ab 2026 ein Finanzierungsdefizit ab. Der vom Bundesrat vorgeschlagene Verpflichtungskredit ist zu knapp bemessen und drohe Angebotsabbauten nach sich zu ziehen. Ein Ausdünnen der Angebote – Taktreduktionen, Linienkürzungen oder verschobene Ausbauprojekte – droht. «Eine wachsende Schweiz und Sparprogramme im öV passen schlicht nicht zusammen», so Martin Candinas.

Vor diesem Hintergrund sind die kommenden Jahre entscheidend. Bereits Ende Oktober 2025 wird der Bericht Verkehr ’45 erwartet, der sich schwerpunktmässig mit der Ausbauplanung bis 2045 befasst. Auf dieser Basis legt der Bundesrat 2026 eine Botschaft über den Ausbau vor, 2028 wird voraussichtlich eine Volksabstimmung über neue Finanzierungsgrundlagen nötig. «Diese Abstimmung wird ein Lackmustest sein: Wir werden sie nur gewinnen, wenn wir überzeugend darlegen, warum ein starker öV im ureigenen Interesse der Schweiz liegt», betont Martin Candinas.

Der öV ist mehr als ein Fortbewegungsmittel; er ist ein entscheidender Standortfaktor

Die Botschaft des LITRA-Präsidenten ist klar: Der öffentliche Verkehr in der Schweiz ist weit mehr als ein Fortbewegungsmittel mit Rekordwachstum. Der öV schafft auch Jahr für Jahr Milliarden an Wertschöpfung, sichert hunderttausende Arbeitsplätze und ist ein unverzichtbarer Standortfaktor.

Doch Finanzierungslücken, drohender Fachkräftemangel und der steigende Druck im Güterverkehr verlangen rasches und gemeinsames Handeln. «Öffentlicher Verkehr in der Schweiz ist Teamwork: Politik, Verwaltung, Unternehmen, Verbände und Kundinnen und Kunden – wir alle sitzen im sprichwörtlich gleichen Zug. Mit vereinten Kräften können wir das System stabilisieren und weiterentwickeln.»

Im statuarischen Teil der Mitgliederversammlung blickte LITRA-Geschäftsführer Michael Bützer auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurück. © LITRA.

Erfolgreiches Geschäftsjahr und neue Gesichter

Im statuarischen Teil der Mitgliederversammlung blickte LITRA-Geschäftsführer Michael Bützer auf das vergangene Geschäftsjahr zurück. Zudem wurden Frank Furrer, ehemaliger Geschäftsführer der VAP, und Christian Plüss, ehemaliger Leiter PostAuto und Mitglied der Konzernleitung Post aus dem Vorstand verabschiedet.

Gleichzeitig wurden folgende Personen neu in den Vorstand der LITRA gewählt:

  • Stefan Regli, Leiter Geschäftsbereich Mobilitäts-Services und Mitglied der Konzernleitung Post
  • Martin Sturzenegger, Direktor VBZ
  • Armin Weber, CEO Schweizerische Südostbahn AG (SOB)
  • Simon Wey, Geschäftsführer VAP

Im Anschluss an den statuarischen Teil wurden in Bern auch verschiedene Neumitglieder bei der LITRA willkommen geheissen. Sie werden zu einem späteren Zeitpunkt auf der LITRA-Website individuell vorgestellt:

  • ETC Solutions GmbH
  • Regionalbus Lenzburg AG
  • quattron ch GmbH
  • TILO SA
  • Traila AG
  • Otimon GmbH
  • IM Maggia Engineering SA

Der Prix LITRA 2025: LITRA-Präsident Martin Candinas, Ann Hesse (Preisträgerin), Silvano Fuchs (Preisträger), Julien Nippel (Preisträger), Mélina Errichelli (Preisträgerin) und Bundesrat Guy Parmelin. © LITRA

Prix LITRA 2025: Ob Personen- oder Güterverkehr – der öV-Nachwuchs bewegt die Schweizer Mobilität

Den feierlichen Abschluss der LITRA-Mitgliederversammlung bildete wie üblich die Verleihung des Prix LITRA 2025 in Anwesenheit von Bundesrat Guy Parmelin. Insgesamt 17 Arbeiten aus neun Hochschulen wurden in diesem Jahr für den renommierten Schweizer öV-Preis eingereicht. «Die beeindruckende Teilnehmerzahl unterstreicht das hohe Engagement junger Menschen für die Zukunft des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz», betont Martin Candinas.

Und die breite Palette unterschiedlicher Arbeiten, welche beim diesjährigen Prix LITRA eingereicht wurden, macht deutlich, wie breitgefächert und aktuell die Themen des öV-Nachwuchses sind. Im Rahmen der feierlichen Preisverleihung überreichte Bundesrat Guy Parmelin den diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträgern den verdienten Pokal und würdigte ihr grosses Engagement für die Mobilität in der Schweiz. Ausgezeichnet wurden Silvano Fuchs, Mélina Errichelli, Julien Nippel und Ann Hesse.

Das Schweizer öV-System sei ein wichtiger Wirtschafts- und Standortvorteil für die Schweiz, betont Bundesrat Guy Parmelin. Diesem weltweit einzigartigen System gelte es unbedingt Sorge zu tragen. © LITRA

Nachdem Guy Parmelin in einer feierlichen Zeremonie die Preisträgerinnen und Preisträger des Prix LITRA ausgezeichnet hatte, richtete er sich an die anwesenden Gäste. Dabei betonte der Bundesrat die zentrale Bedeutung von Mobilität und Transport für Gesellschaft und Wirtschaft.

Mobilität sei nicht nur eine immaterielle Grösse, sondern die Lebensader unserer Wirtschaft und unseres Landes. «Der öV ist die Lebensader vieler Täler. Er bringt Arbeitsplätze, stützt lokale Geschäfte und sorgt für nachhaltige Erreichbarkeit», so Bundesrat Guy Parmelin.

Als Vorsteher des WBF war es dem Bundesrat zudem ein Anliegen, die volkswirtschaftliche Bedeutung des öffentlichen Verkehrs zu betonen – nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland. Dabei verwies er unter anderem auf die erfolgreichen Freihandelsabkommen mit Mercosur, Thailand, Kosovo und Malaysia sowie auf die bevorstehende Umsetzung des neuen Abkommens mit Indien: «Für unsere Schweizer Bahnindustrie ist dies eine grossartige Chance», freut sich Bundesrat Guy Parmelin.

Gleichzeitig bringt der Erfolg des Schweizer öV-Systems auch Herausforderungen mit sich – nicht zuletzt auf dem Arbeitsmarkt. «Jedes Jahr gehen mehr Menschen in Rente, als junge Leute auf den Arbeitsmarkt kommen.» Entsprechend werde der Fachkräftemangel in den kommenden Jahren durch die demografische Entwicklung verschärft.

Aber für Bundesrat Guy Parmelin ist klar: «Hinter jedem pünktlichen Zug, hinter jedem Bus, der einen Pass erklimmt, stehen engagierte Frauen und Männer, die mit Leidenschaft bei der Sache sind und an das glauben, was sie tun. Lassen Sie uns gemeinsam und mit Zuversicht voranschreiten. Lassen Sie uns weiter inves­tieren, innovativ sein, ausbilden und uns der Welt öffnen. Lassen Sie uns die Schweiz zu einem mobilen, vernetzten und attrak­tiven Land machen!»


Prix LITRA 2025: Ob Personen- oder Güterverkehr – der öV-Nachwuchs bewegt die Schweizer Mobilität

Wie plant man das öV-Angebot der Zukunft? Welche Rolle spielen Infrastrukturprojekte oder die Stadtlogistik für die Mobilität von morgen? Der Prix LITRA 2025 macht deutlich, wie breit und aktuell die Themen des öV-Nachwuchses sind.

Im Rahmen der feierlichen Preisverleihung der LITRA in Bern überreichte Bundesrat Guy Parmelin den diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträgern den Pokal und würdigte ihr grosses Engagement für die Mobilität in der Schweiz. Ausgezeichnet wurden Silvano Fuchs, Mélina Errichelli, Julien Nippel und Ann Hesse.