21. 12. 2023

print Created with Sketch. PRINT

21. 12. 2023

Sessionsveranstaltung: Der internationale Personenverkehr in Europa

Rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen an der LITRA-Sessionsveranstaltung vom 20. Dezember 2023 in Bern teil. Sie alle wollten wissen: Vor welchen Herausforderungen stehen die europäischen Bahnen im internationalen Personenverkehr? Worauf dürfen sich die öV-Reisenden in Europa in Zukunft freuen? Andreas Matthä, Vorstandsvorsitzender der ÖBB, nahm dazu Stellung und vertiefte das Thema in einer Diskussion mit Vincent Ducrot, dem CEO der SBB.

Ausserordentlich zahlreich strömten die geladenen Vertreterinnen und Vertreter der Mobilitäts- und öV-Branche, der nationalen Politik und der Verwaltung nach Bern zur Sessionsveranstaltung der LITRA. Kein Wunder: Auf der Bühne im Hotel Bellevue Palace wurden prominente und kompetente Gäste erwartet. Und es ging es um ein relevantes Thema: Der internationale Bahnverkehr ist in den letzten Jahren in ganz Europa stark gewachsen. In der Schweiz ist zudem im Rahmen der laufenden Revision des CO2-Gesetzes eine Stärkung des internationalen Schienenpersonenverkehrs inklusive Nachtzüge vorgesehen.

Das Interesse am internationalen Personenverkehr ist gross.

Ein kurzer Blick auf den öV in der Schweiz: Begrüssung durch Martin Candinas

LITRA-Präsident und Nationalrat Martin Candinas eröffnete die Veranstaltung. Er zeigte sich erfreut über die Rekordnachfrage beim Schienenpersonenverkehr in der Schweiz im laufenden Jahr. Für die öV-Branche sei dies Ansporn, den Elan mitnehmen und das öV-Angebot noch attraktiver zu gestalten. Zugleich rief Martin Candinas die Politik auf, die positiven Entwicklungen im öV nicht durch Entscheidungen abzuwürgen, die sich aus kurzfristigen finanzpolitischen Sachzwängen ergeben. Während die öV-Branche stets bestrebt sei, ihre Effizienz zu erhöhen, müsse auch die Politik die Finanzierung des öV jederzeit sicherstellen.

Martin Candinas sprach die Herausforderungen im Güterverkehr an: Die Schweiz müsse eine Rückverlagerung der Transporte auf die Strasse verhindern und mehr tun für eine stärkere Verlagerung der Güter auf die Schiene. Dies gelte für den alpenquerenden Güterverkehr ebenso wie für den Güterverkehr in der Fläche. Zu letzterem will der Bundesrat bald eine Gesetzesrevision ins Parlament bringen, die die LITRA eng begleiten wird.

LITRA-Präsident und Nationalrat Martin Candinas

Der internationale Personenverkehr in Europa: Rede von Andreas Matthä

Für Martin Candinas war es eine besondere Ehre, nach seiner Begrüssung das Wort an Andreas Matthä zu übergeben. Andreas Matthä ist Vorstandsvorsitzender der ÖBB-Holding AG und Präsident des Europäischen Eisenbahnverbandes CER.

Die Mobilität in Europa muss klima- und umweltfreundlicher werden. Der Eisenbahn kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Für Andreas Matthä ist klar, was das bedeutet – er beschrieb dies wenige Tage zuvor auch in seinem Gastbeitrag auf der LITRA-Webseite: «Europa braucht mehr Bahn – aber die Bahn braucht auch mehr Europa.» Notwendig seien mehr Gemeinsamkeit, mehr Koordination, eine gute Infrastruktur und Ordnung im System. Wenn die europäische Politik und die Bahnunternehmen ihre Hausaufgaben machen, werde es gelingen, mehr Menschen zum Umstieg in die Bahn zu bewegen. Er glaube nicht, dass es aktuell eine volle Liberalisierung des Bahnverkehrs brauche. Wichtig sei jedoch mehr Kostenwahrheit. Die Bahn sei in Europa bis heute mit regulatorischen Wettbewerbsnachteilen gegenüber dem motorisierten Individualverkehr und dem Luftverkehr konfrontiert.

Zu einer starken Bahn gehört aus Sicht von Andreas Matthä auch der Nachtzug, bei dem die ÖBB heute europaweit führend sind. Die Nachtzüge erleben eine Renaissance – nicht zuletzt dank der Zusammenarbeit der ÖBB mit den SBB sowie mit DB, NS, SNCB und SNCF. Allerdings brauchen Nachtzüge auch Unterstützung aus der Politik, wie Matthä ausführte.

Der Nachtzug allein sei zudem nicht ausreichend für einen klimafreundlichen Verkehr, stellte Matthä klar. Um Kurz- und Mittelstreckenflüge in Europa in grösserem Umfang zu ersetzen, sei ein leistungsstarkes Netz an Hochgeschwindigkeitsverbindungen zwischen den Hauptstädten und Metropolen Europas notwendig.

Andreas Matthä, Vorstandsvorsitzender ÖBB und Präsident CER

Vincent Ducrot und Andreas Matthä diskutieren auf dem Podium

Nach seinem Inputreferat erhielt Andreas Matthä Gelegenheit, das Thema des Tages gemeinsam mit Vincent Ducrot, dem CEO der SBB AG, zu vertiefen. Moderiert wurde die Diskussion von LITRA-Geschäftsführer Michael Bützer.

Vincent Ducrot sprach über das Kooperationsmodell, das die SBB im internationalen Personenverkehr anwenden. Der Bund als Eigentümer verlange von der SBB, dass sie im internationalen Personenverkehr Kooperationslösungen mit anderen Bahngesellschaften finde.

Auf dem Podium diskutieren: Andreas Matthä, Michael Bützer (Moderation, LITRA-Geschäftsführer) und Vincent Ducrot

Angesprochen auf die Nachtzüge hob Vincent Ducrot die gut funktionierende Kooperation mit den ÖBB hervor. Weitere Verbindungen können möglich werden, wenn das Parlament im Rahmen der Revision des CO2-Gesetzes die vorgesehene finanzielle Unterstützung für den internationalen Personenverkehr beschliesst.

Andreas Matthä und Vincent Ducrot diskutierten auch aktuelle Probleme im internationalen Personenverkehr, darunter die mangelnde Pünktlichkeit. Für eine bessere Qualität sei es dringlich, in Europa wieder mehr in die Infrastruktur zu investieren.

Zur Sprache kamen schliesslich die Verfahren für Fahrzeugzulassungen und Sicherheitsbescheinigungen im grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr. Die Schweiz konnte in dieser Sache vor wenigen Tagen die Übergangslösung mit der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) bis Ende 2024 verlängern. Vincent Ducrot begrüsste dies. Zugleich stimmte er mit Andreas Matthä überein, dass es bei diesen technischen Verfahren in Europa deutlich mehr Harmonisierung braucht.

Vincent Ducrot, CEO SBB